Fragebogen-Guide: So entwickeln Sie gute Fragebögen - mit Beispiel

Appinio Research · 18.10.2022 · 9min Lesezeit

Schwarzweiß Bild einer Hand mit einem Kompass

Einleitung

Fragebögen sind der Kern der Marktforschung. Mithilfe eines guten Fragebogens lassen sich innerhalb kurzer Zeit spannende Einblicke in das Denken von Konsumenten generieren. Um jedoch einen guten Fragebogen zu konstruieren, muss einiges beachtet werden. Schon vor der Auswahl der richtigen Fragen sollte ein Ziel feststehen, das mit der Umfrage erreicht werden soll. Mit diesem Ziel im Blick werden Fragen entwickelt und Antworttypen ausgewählt. Die Wahl passender Fragetechniken ist nicht immer ganz einfach. Dieser Fragebogen-Guide führt durch alle wichtigen Schritte der Fragebogenkonstruktion, zeigt No-Gos auf und hilft bei der Suche nach dem richtigen Frageformat.

 

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Zielsetzung

Zuerst muss das Ziel der Befragung ganz klar festgelegt werden. Handelt es sich um einen Fragebogen zu Markenbekanntheit, Kundenzufriedenheit oder einen Logotest? Möchte ich wissen, wie mein Werbeslogan bei 20- bis 30-Jährigen ankommt? Interessiert es mich, ob im Markt Bedarf für eine neue Kosmetiklinie besteht? Oder möchte ich herausfinden, welches Titelbild bei Lesern am besten ankommt? Basierend auf dem konkreten Ziel werden passende Fragen entwickelt, aus diesen kann man dann eine ganze Umfrage erstellen. Ein Fragebogen darf nicht zu lang sein, denn sonst brechen die Teilnehmer ab, oder sie langweilen sich und wählen zufällige Antworten aus, nur um fertig zu werden. Er muss jedoch lang genug sein, um alle wichtigen Informationen erheben zu können. Zu Beginn der Befragung bietet es sich an, mit allgemeinen Fragen zu beginnen und dann zu den spezifischen überzugehen. Diese Fragen müssen zudem bestimmten Gütekriterien entsprechen.


Fragen in einem Fragebogen setzen sich aus zwei Teilen zusammen: Aus der eigentlichen Frage und dem zugehörigen Antwortformat. Bevor man sich für ein Frageformat entscheidet, sollte man sich gut überlegen, welche Art von Daten man dadurch erhält und ob aus diesen Daten alle wichtigen Schlussfolgerungen gezogen werden können. 

Wir geben einen Überblick über mögliche Fragetypen.


Geschlossene Fragen

Geschlossene Fragen, auch Fragen mit gebundenem Antwortformat genannt, kennzeichnen sich dadurch, dass mehrere mögliche Antworten vorgegeben werden, aus denen ein Umfrageteilnehmer auswählen kann. Die Antwortmöglichkeiten sollten sich eindeutig voneinander unterscheiden und sich inhaltlich nicht überschneiden (Disjunktheit). Zudem sollte beachtet werden, dass die Antwortalternativen alle möglichen Antworten, die auf die relevante Frage gegeben werden können, beinhalten (Exhaustivität). Falls nicht alle möglichen Antworten als Alternativen aufgelistet werden können, empfiehlt es sich, ein Freitext-Feld einzubauen, in welchem die Teilnehmer selbst eine Antwort eintragen können, wenn keine der vorgegebenen zutreffend erscheint.


Oft ist es sinnvoll, sogenannte Forced Choice Fragen zu stellen. Der Teilnehmer wird dazu aufgefordert, eine Antwort anzukreuzen, die am ehesten zutrifft, und kann die Umfrage ansonsten nicht beenden. So werden fehlende Werte vermieden. Bei Forced Choice Fragen wird meist zusätzlich eine Antwortalternative names “Keine Angabe” angeboten, damit niemand etwas ankreuzt, das überhaupt nicht zutrifft. Allerdings sollte darauf geachtet werden, diese Antwort im digitalen Fragebogen als Exklusiv-Antwort anzubieten - wenn diese Alternative ausgewählt wird, darf keine andere angeklickt werden. Es gibt zahlreiche Arten geschlossener Fragen. Im Folgenden werden sie etwas näher erläutert.


Vor- und Nachteile geschlossener Fragen


  • Schnelle Befragung
  • Einfache Auswertung
  • Eindeutige Kodierung
  • Antwortalternativen bestimmen Richtung der Antworten
  • kreative Antworten eher unwahrscheinlich

Dichotome Fragen

Hier gibt es genau zwei Antwortmöglichkeiten, zwischen denen ein Teilnehmer auswählen kann. Das wären zum Beispiel «Ja» oder «Nein», «Stimmt» oder «Stimmt nicht», sowie «Richtig» oder «Falsch». Manchmal wird noch «Weiß ich nicht» als dritte Antwortmöglichkeit angeboten. Dichotome Fragen eignen sich, um schnell einen groben Überblick über die Ansichten von Verbrauchern zu bekommen. Allerdings lässt sich nicht jede Frage so formulieren, dass zwei Antwortalternativen zur Beantwortung ausreichen. Außerdem sind die Antworten dann wenig differenziert.

 

Einfachauswahl

Fragen mit Einfachauswahl, auch Single Choice Fragen genannt, sind dann sinnvoll, wenn ein Befragter aus mehreren Antwortalternativen genau eine auswählen soll, die auf ihn zutrifft. Es ist wichtig, die Antwortmöglichkeiten zu randomisieren - sie also für jeden Teilnehmer in zufälliger Reihenfolge anzuordnen. Menschen tendieren dazu, sich für oben stehende Antworten zu entscheiden, was zu verzerrten Ergebnissen führen kann.

 

Mehrfachauswahl

Bei Fragen mit Mehrfachauswahl können aus einer Reihe vorformulierter Antwortalternativen mehrere Antworten ausgewählt werden. Sie werden auch als Multiple Choice Fragen bezeichnet. Wie auch bei der Einfachauswahl ist es sinnvoll, die Antwortmöglichkeiten zu randomisieren. Zudem sollte darauf geachtet werden, nicht zu viele Antwortmöglichkeiten vorzugeben, um die Gefahr zu minimieren, dass der Befragte gar nicht alle Antworten liest.

 

Ratingskala

Es besteht die Wahl zwischen einer geraden Skala (z.B. vier oder sechs Abstufungen) und einer ungeraden Skala (z.B. fünf oder sieben Stufen). Ungerade Skalen erlauben den Befragten, eine neutrale Antwort abzugeben, aber erleichtern ihnen auch, eine konkrete Entscheidung zu vermeiden und sich schnell für die "bequeme" Mitte zu entscheiden. Ungerade Skalen sind also vor allem dann sinnvoll, wenn es um sensible und persönliche Themen geht, bei denen den Befragten keine konkrete Aussage abverlangt werden kann bzw. sollte.

Wenn es dagegen um eher allgemeine, kommerzielle Themen geht, bei denen den Befragten eine Entscheidung zugemutet werden kann, führt eine gerade Skala zu eindeutigeren und damit aussagekräftigeren Ergebnissen.


Ratingskalen eignen sich besonders dann, wenn man schnell herausfinden möchte, wie differenziert Verbraucher zu einer Idee oder einem Produkt stehen. Die Auswertung der Antworten ist einfach und die Aussagen sind zwischen den Verbrauchern gut vergleichbar. Ein Nachteil von Ratingskalen ist es, dass nicht jeder die Abstufungen gleich interpretiert. Zudem ist es möglich, dass die Antworten zur Mitte der Skala hin verzerrt sind, da die beiden Extrema seltener ausgewählt werden.


Ratingskalen lassen sich unterscheiden in unipolare und bipolare Skalen. Bei bipolaren Skalen gibt es einen positiven und einen negativen Pol.


Zum Beispiel: Wie oft bezahlst Du mit Zahlungsmittel X?


Bei unipolaren Skalen hingegen gibt es einen Nullpunkt, der die geringst mögliche Zustimmung markiert. Die Stärke der Zustimmung steigt von diesem Punkt an in nur eine Richtung.

Analogskala

Mit einer Analogskala können Umfrageteilnehmer gleich wie bei einer Ratingskala angeben, wie sehr sie einer Aussage zustimmen, oder wie sehr ihnen etwas gefällt. Der Unterschied ist, dass sie hier anhand eines Reglers einen präzisen Punkt festlegen, der ihrer Ansicht entspricht. So könnte man zum Beispiel fragen, wie groß das Interesse eines Verbrauchers an Produkt X ist und ihm eine Skala von 0 bis 100 vorgeben, auf der er jede mögliche Zahl auswählen kann, die zwischen den beiden Polen liegt. Die Schritte, in denen die Auswahlmöglichkeiten größer werden, können vorher festgelegt werden. Zum Beispiel kann die 100 in 1er Schritten zu erreichen sein, oder in 5er oder 10er Schritten. Je kleiner die Schritte, desto differenzierter sind die Antworten.

 

Ranking

Mithilfe eines Rankings kann überprüft werden, ob es ein bestimmtes Produkt oder einen Slogan gibt, den viele Verbraucher bevorzugen. Sie werden dazu aufgefordert, bestimmte Antwortmöglichkeiten in eine Reihenfolge zu bringen. Je nach dem, an welche Position eine Antwortmöglichkeit gesetzt wird, werden Punkte vergeben. Wird Slogan A von einem Verbraucher an erster Stelle platziert, bekommt der Slogan 4 Punkte. Steht Slogan C auf Platz 2 bekommt dieser 3 Punkte und so weiter. Der Slogan, der am Ende einer Umfrage die meisten Punkte hat, kommt am besten an.

 

Bildauswahl

Fragen mithilfe einer Bildauswahl zu erstellen, eignet sich besonders, wenn herausgefunden werden soll, wie das Design eines Produkts bei Kunden ankommt. Zudem könnte abgefragt werden, welcher Werbeslogan besser zu einem Produkt passt, oder wie das Design einer App oder Website ankommt. Eine Bildauswahl ist dann sinnvoll, wenn es schwierig ist, Fragen oder Ansichten in Worten auszudrücken.


Offene Fragen

Offene Fragen sollten dann gewählt werden, wenn ein Unternehmen Dinge erfahren möchte, auf die es selbst so nicht gekommen wäre. Offene Fragen sind wichtig, um Eindrücke und Ideen zu sammeln. Allerdings ist zu beachten, dass innerhalb eines Fragebogens nicht zu viele offene Fragen gestellt werden, damit die Teilnehmer nicht die Lust verlieren, detailliert zu antworten. Neben Texteingaben eignen sich offene Fragen auch für die Eingabe von Zahlen. So könnte abgefragt werden, welchen Preis Verbraucher bereit wären, für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu zahlen.


Zu den offenen Fragen zählen auch Textergänzungsaufgaben. Wenn man keine allzu detaillierte Antwort braucht, sondern ein Wort ausreicht, könnte man Teilnehmer einfach dazu auffordern, einen bestimmten Satz zu ergänzen.


Woran denkst Du zuerst, wenn du den Namen der Marke X hörst? 


Ich denke zuerst an _______________________________________________


Vor- und Nachteile offener Fragen


  • Antworten nicht beeinflusst von Vorgaben
  • Kreative Antworten
  • Detaillierte Einsichten
  • Eingeschränkte Qualität, wenn Befragte keine Lust haben
  • Erschwerte Vergleichbarkeit / Interpretation der Antworten
  • Ausdrucksvermögen nicht bei jedem vorhanden

Atypische Fragen

Heatmap

Eine Heatmap kann dann eingesetzt werden, wenn Verbraucher auf eine Frage mithilfe von Klicks auf einem Bild antworten sollen. So könnte man zum Beispiel fragen, worauf sie bei einer Werbegrafik zuerst schauen, was sie darauf am auffälligsten finden oder in welchem Teil eines Fotos sie denken, dass ich das beworbene Produkt befindet. Als Grafiken, die der Heatmap zugrunde liegen, könnten auch Landkarten gewählt werden.

Foto- / Video- / Audioaufnahmen

Für die Marktforschung ist es oft interessant, wie es bei Verbrauchern zuhause aussieht. Wie richten sie ihre Küche ein? Womit ist der Kühlschrank befüllt? Welche Möbel stehen im Schlafzimmer? Einblicke in das Zuhause von Konsumenten können mithilfe digitaler Marktforschung einfach gewonnen werden. In einen Fragebogen können Fragen integriert werden, bei denen Konsumenten dazu aufgefordert werden, Fotos von bestimmten Dingen oder Orten zu machen oder sogar Videoaufnahmen, die sie anschließend hochladen. Falls es interessant ist, was genau Konsumenten zu einer Fragestellung zu sagen haben, könnte man sie auch um eine Audioaufnahme bitten.

 

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10 No-Gos bei der Erstellung eines Fragebogens

  1. Doppelte Verneinungen
  2. Komplizierte Satzkonstruktionen
  3. Unklare Abkürzungen
  4. Fachbegriffe
  5. Mehrdeutigkeit
  6. Doppelfragen (oder miteinander verknüpfte Aussagen)
  7. Moralische Wertungen
  8. Suggestion
  9. Unklare Zeitspannen abfragen ("in letzter Zeit" etc.)
  10. Fehlende Antwortkategorien 

 

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